Posted: 2024-01-10 09:37:00

Die Preisverleihung findet am 29. Januar 2024 um 18:30 Uhr auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Kai Wegner, und der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, im Roten Rathaus statt. Sie wird auch in einem Livestream übertragen. Mit den Obermayer Awards werden in diesem Jahr Dirk Erkelenz aus Köln, Anneke de Rudder aus Bad Bevensen, Marie Rolshoven aus Berlin, Christoph Mauny aus Weimar, Margit Sachse aus Roßdorf sowie der Verein EXIL e.V. aus Eberswalde ausgezeichnet. Ein Preis für herausragende Leistungen geht zudem an Katharina Oguntoye aus Berlin.

Die Preisverleihung wird auf der Website von Widen the Circle und des Berliner Abgeordnetenhauses übertragen.

Die Obermayer Awards, organisiert und verwaltet durch Widen the Circle, werden deutschen Einzelpersonen und Gruppen verliehen, die aufgezeigt haben, welch wichtige Rolle die jüdische Bevölkerung vor der Zeit des Nationalsozialismus über Hunderte von Jahren für die deutsche Gesellschaft spielte. Ausgezeichnet wird darüber hinaus das Engagement von Menschen, die sich ausgehend von den Lehren aus der Geschichte der Bekämpfung von Vorurteilen und Rassismus (einschließlich Antisemitismus) widmen und die Verständigung zwischen verschiedenen Gruppen fördern, um dem Aufkommen und der zunehmenden Verbreitung von Vorurteilen etwas entgegenzusetzen.

Der renommierte Preis wird seit mehr als zwei Jahrzehnten verliehen und gehört zu den Highlights im Rahmen der offiziellen Veranstaltungen anlässlich des Holocaust-Gedenktags in Berlin.

Die Preisträgerinnen und Preisträger der Obermayer Awards 2024:

Dirk Erkelenz (Köln, Nordrheinwestfalen): Der Lehrer hat die Kultur an seinem Kölner Gymnasium grundlegend verändert, indem er Schüler*innen dazu motiviert und befähigt, die Lebensgeschichten jüdischer Schülerinnen und Schüler in der NS-Zeit zu recherchieren. An seinem „Projektkurs Geschichte“ haben sich seit 2015 mehr als 150 Schüler*innen beteiligt. Im Rahmen ihrer aktiven Erinnerungsarbeit haben sie Nachkommen der jüdischen Schülerinnen und Schüler ausfindig gemacht und Beziehungen zu ihnen aufgebaut. Viele dieser Nachfahren haben inzwischen Köln besucht, um mehr über ihre deutschen Vorfahren zu erfahren und an Gedenkveranstaltungen teilzunehmen, die Dirk Erkelenz mit organisiert hat, zum Beispiel anlässlich der Verlegung von Stolpersteinen. Er ist Mitherausgeber eines Buches, in das auch die Projektarbeit seiner Schüler*innen eingeflossen ist.

Anneke de Rudder (Bad Bevensen, Niedersachsen): Die Provenienzforscherin und Historikerin ist heute an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg tätig und forscht seit vielen Jahren umfassend zum Leben der Juden in Lüneburg und anderen Orten. Ihr Fokus liegt auf der Rückgabe von NS-Raubgut an die rechtmäßigen Erben von NS-Verfolgten. Sie hat zahlreiche Nachkommen jüdischer Familien gefunden und kontaktiert, ihnen die Heimatorte ihrer Vorfahren nähergebracht und Brücken gebaut zwischen ihnen und der deutschen Bevölkerung von heute. So hat sie beispielsweise im Auftrag des Museum Lüneburg fast 60 Erben eines einst prominenten jüdischen Bürgers von Lüneburg, Marcus Heinemann, ermittelt und zusammen mit einer Nachfahrin eine Restitutionsfeier organisiert, an der mehrere Dutzend Nachfahren teilnahmen. Darüber hinaus arbeitet sie am Aufbau einer digitalen Datenbank mit Namen, Daten, Geschichten und Fotos zu Lüneburgs jüdischen Familien, die Nachkommen, Bürger*innen und Forscher*innen weltweit zur Verfügung steht.

Marie Rolshoven (Berlin): Gemeinsam mit ihrer inzwischen verstorbenen Mutter hat die Preisträgerin ein Projekt initiiert, das deutsche Bürgerinnen und Bürger dazu anregt, die Lebensgeschichten von ehemaligen, während der NS-Zeit Verfolgten zu recherchieren, die einst in ihren Häusern lebten, und das Gelernte weiterzugeben. Im Rahmen dieses Projekts Denk Mal am Ort (DMAO) laden die Bewohnerinnen und Bewohner an einem Wochenende im Jahr Menschen ein, um ihnen die persönlichen Geschichten der ehemaligen jüdischen Mitbewohner zu erzählen, oft gemeinsam mit jüdischen Nachfahren. Das Projekt basiert auf einem erfolgreichen niederländischen Gedenkprogramm und umfasst auch Führungen, Ausstellungen und Live-Musik. Seit den Anfängen in Berlin im Jahr 2016 ist das DMAO auf über 50 Standorte in vier deutschen Großstädten (Berlin, München, Frankfurt und Hamburg) mit mehr als 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern angewachsen. Einige internationale Nachkommen kehren jedes Jahr zurück, um am Programm teilzunehmen.

Christoph Mauny (Weimar, Thüringen) hat eine Reihe innovativer Erinnerungsprojekte mitentwickelt, oft unter Einsatz neuer Medien und mit aktiver Beteiligung junger Menschen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Orten Gotha und Ohrdruf sowie dem Außenlager-System Buchenwald, in einer Region, in der die extreme Rechte zunehmend an Einfluss gewinnt. Bei einem Projekt fand am einstigen Standort der Synagoge von Gotha, die von den Nazis zerstört wurde, eine Fassadenprojektion statt. Das 360-Grad-Video der ästhetischen Video-Sound-Installation ist auch auf YouTube abrufbar. Ein weiteres, zentrales Projekt, "Deutsche Erinnerungslücke KZ Ohrdruf" ist intergenerational bis ins Jahr 2100 angelegt und verfolgt das Prinzip eines unvollendeten Denkmals. Die beteiligten Jugendlichen digitalisieren Namen und biografische Spuren und schaffen Inhalte und Formen für einen virtuellen Erinnerungsort. Dabei geht es um Fragen wie „An was wollen wir wie erinnern?“ und „Wie kann angemessenes Gedenken aussehen?“, aber auch darum, wie wir als Gesellschaft leben wollen. Mit diesen und weiteren Projekten ermutigt und befähigt er junge Menschen, sich gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu engagieren.

Margit Sachse (Roßdorf, Hessen): Die Geschichtslehrerin und Biographin begeistert seit mehr als zehn Jahren aktuelle und ehemalige Schülerinnen und Schüler in Darmstadt für lokale jüdische Erinnerungsprojekte. Ihr fortlaufendes Projekt „Schüler:innen gegen Vergessen — für Demokratie“ nutzt innovative Medienpräsentationen und Schülerrecherchen zum Leben ehemaliger jüdischer Nachbarn in Darmstadt und sorgt so für die Einbettung der jüdischen Lokalgeschichte in die Schulkultur. Im Rahmen ihrer zahlreichen ehrenamtlichen Aktivitäten hat sie einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, die virtuelle Rekonstruktion der ehemaligen Darmstädter Jugendstil-Synagoge zu verstetigen: Ein fest installiertes „Fernrohr in die Vergangenheit“ dient zugleich als Portal zu einer Lern-App, die in einzigartiger Weise die Synagoge sichtbar macht. Margit Sachse ist inzwischen auch transnational in anderen Teilen Europas aktiv, um die gemeinsame Erinnerungsarbeit zu fördern. So hat sie Partnerschaften mit Jugendgruppen und Künstlern in Frankreich, Griechenland und weiteren Ländern aufgebaut, Begegnungen vor Ort organisiert und mediale Darstellungen entwickelt sowie Veröffentlichungen zur Arbeit der beteiligten Schülerinnen und Schüler initiiert.

Jugend- und Kulturverein EXIL e.V. (Eberswalde, Brandenburg): 1997, in einer Zeit, in der Neonazis in der Stadt offen und lautstark auftraten, wurde dieser Verein von einer Gruppe mutiger Punkrocker gegründet. Sie engagieren sich für den Erhalt von zwei Baracken eines ehemaligen Außenlagers des Konzentrationslagers Ravensbrück und vermitteln seit 25 Jahren auf unterschiedlichen Wegen die Geschichte der hierher zur Zwangsarbeit verschleppten Frauen. Das EXIL ist seitdem ein Treffpunkt der Musik und des kulturellen Lebens und seit einiger Zeit zudem der migrantischen Selbstorganisation in der Kinder- und Jugendarbeit. Der Verein unterstützt darüber hinaus die Erinnerungsarbeit zur jüdischen Geschichte eines nahegelegenen Industriestandorts und Benefizkonzerte für Amcha Deutschland, eine Organisation, die Überlebenden des Holocaust psychosoziale Unterstützung bietet. Im Jahr 2003 gründeten EXIL-Mitglieder zusammen mit anderen die Bürgerstiftung Barnim Uckermark, in deren Vorstand EXIL-Mitgründer Kai Jahns tätig ist und die sich für Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen, Kinderrechte und nachhaltige soziale Veränderungen engagiert.

Eine Auszeichnung für herausragende Leistungen geht zudem an:

Katharina Oguntoye (Berlin): Die Historikerin, Schriftstellerin und Pädagogin hat mit ihren Schriften und ihrem Aktivismus seit den 1980er Jahren wesentlich dazu beigetragen, dass sich ein Bewusstsein Schwarzer Deutscher bilden konnte und die deutsche Mehrheitsgesellschaft zunehmend die Geschichte und Identität Schwarzer Deutscher anerkennt. Zu ihren bekanntesten Werken zählen Farbe bekennen (Mitherausgeberin, 1986) und Eine afro-deutsche Geschichte (1997). Als Mitgründerin der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und der ADEFRA (Schwarze Frauen in Deutschland) sowie des interkulturellen Vereins JOLIBA hat sie die Entstehung der afro-deutschen Community maßgeblich befördert. Für schwarze Menschen in Deutschland werden mit ihrer Hilfe soziale Angebote geschaffen, durch ihre Anti-Rassismus-Arbeit und historische Forschung wurde die gesellschaftliche Wahrnehmung verändert. Mit ihren Workshops, Vorträgen und kulturellen Veranstaltungen hat sie den Dialog ermöglicht, Vorurteile entlarvt und zahllose Menschen dazu motiviert, sich für ein interkulturelles Miteinander zu begeistern.

Pressekontakt:

Tatjana Kirchner (Deutschland) 030-8471-1812 kirchner@kirchner-pr.de

Dan Fleshler (USA) 646-552-1213 dfleshler@gmail.com

 

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