Posted: 2024-01-11 15:08:00

Jetzt hat es einmal die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) erwischt. Dass sie an der Johannisallee ein neues Bauprojekt plant, hat die stadteigene Wohnungsgesellschaft schon 2021 angekündigt. Hier soll an der Ecke zur Straße des 18. Oktober ein 7-geschossiges Gebäudeensemble aus sechs Mehrfamilienhäusern sowie drei Wohn- und Geschäftshäusern mit insgesamt 201 Wohnungen entstehen. Nur hat niemand beim Amt für Umweltschutz eine Ausnahmegenehmigung zur Fällung des alten Baumbestands beantragt.

Rund um einen Parkplatz war hier ein parkartiges Areal von fast einem Hektar mit lockerem Baumbestand entstanden. Doch der soll für das neue Wohnensemble der LWB komplett gerodet werden. Darunter auch alte und höhlenreiche Einzelbäume. Sehr zum Entsetzen der Initiative Stadtnatur.

Ines Wangemann von dieser Initiative hatte am Sonntag, dem 7. Januar, zufällig festgestellt, dass auf der Fläche ein mächtiger, gesetzlich geschützter Höhlenbaum mit einem Stammumfang von 2,70 Metern gefällt worden war. Anfang der Woche wurden die Rodungen trotz offensichtlicher Verstöße gegen geltendes Naturschutzrecht fortgesetzt.

Denn eine artenschutzrechtliche Ausnahme oder Befreiung lag nicht vor. Ines Wangemann informierte deshalb die untere Naturschutzbehörde, die sofort einen Rodungsstopp verhängte. Das Bauvorhaben war der unteren Naturschutzbehörde gar nicht bekannt gemacht worden. Die erfolgte Rodung des Höhlenbaums war demnach illegal.

Da nutzt dann auch der Nistkasten am gefällte Baum nichts mehr. Foto: Initiative Stadtnatur
Da nutzt auch der Nistkasten am gefällte Baum nichts mehr. Foto: Initiative Stadtnatur

Darüber hinaus ist aufgrund der parkartigen Struktur der Fläche von einer für innerstädtische Bereiche recht artenreichen Tierwelt auszugehen. Diese würde durch das Vorhaben komplett ausgelöscht, kritisiert die Initiative Stadtnatur. Der Verlust von Lebensstätten von mehreren Brutvögeln und von Fledermäusen sei ohne entsprechende Ausnahme oder Befreiung mit dem Bundesnaturschutzgesetz unvereinbar.

Doch eine solche Befreiung wurde offensichtlich nicht beantragt. Und kompensiert werden soll der Verlust hier im Stadtraum an einer völlig anderen Stelle: Die Rückfrage beim Bauleiter hatte ergeben, dass als Ausgleich in Mockau – das heißt: weit entfernt vom Eingriffsort – etwa 100 Bäume neu gepflanzt werden sollen.

„Dieses Beispiel zeigt stellvertretend, wie schlecht es insbesondere, wenn es um das Stadtgrün geht, um die behördeninterne Abstimmung bestellt ist und wie eigenmächtig einige Behörden hier agieren. Offensichtlich haben das Bauordnungsamt und das Amt für Stadtgrün und Gewässer das LWB-Vorhaben – an der unteren Naturschutzbehörde vorbei – bereits genehmigt und die Ersatzpflanzungen, die für den Stadtteil nichts bringen und auch deshalb den Eingriff nicht ansatzweise ausgleichen können, angeordnet“, kritisiert die Initiative Stadtnatur die Ämter der Stadt.

Sie fordert die Ahndung der illegalen Fällung des Höhlenbaums und eine adäquate Aufarbeitung des bereits erfolgten Schadens für Natur und Umwelt, und zudem die Beachtung des Artenschutzrechts und der Eingriffsregelung.

Axel Schmoll von der Initiative Stadtnatur, sagt zu diesem neuerlichen Vorfall behördlichen Versagens beim Artenschutz: „Es ist skandalös, dass bei einem solchen Bauvorhaben die untere Naturschutzbehörde gar nicht informiert war. Um die artenschutzrechtliche Betroffenheit zu analysieren, müssen in einem ersten Schritt die Artengruppen Brutvögel und Fledermäuse umfassend erfasst werden, und zwar über deren gesamten Jahreszyklus.“

Und dazu kommt: Die Fläche an der Johannisallee ist im Landschaftsplan der Stadt Leipzig als Park ausgewiesen.

Was Wiebke Engelsing von der Initiative Stadtnatur das nächste Problem beim Vorgehen der Ämter benennen lässt: „Es kann nicht sein, dass der Landschaftsplan ständig ignoriert wird, wenn die großen Player der Immobilienbranche auf Kosten des wichtigen Stadtgrüns in unserer Stadt bauen möchten. Wir müssen endlich die Anforderungen, die sich aus der Klima- und Biodiversitätskrise ergeben, ernst nehmen.“

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