Posted: 2024-04-29 07:58:00

Auf den ersten Blick sieht es wie ein herzloser Verwaltungsakt aus, dass der Mietvertrag der „Villa Kunterbunt“, einer integrativen Kindertagesstätte der Montessori-Vereinigung-Leipzig e.V., nicht verlängert wird und diese zum Ende 2024 schließen muss. Ist das aber wirklich so einfach? Am 15. April fragten wir bei der Stadt Leipzig im Amt für Jugend und Familie zu diesem Fall an.

Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits eine Petition und eine Online-Kampagne der Elterninitiative gegen die Schließung. Am 17. April erreichte uns auch eine Mail vom Petenten, mit der Bitte um Unterstützung.

Worum geht es?

In der Mail des Petenten heißt es: „Wie Sie vermutlich wissen, droht der Mietvertrag unserer Einrichtung in der Koehlerstr. 7 in 04315 Leipzig wie bei einigen anderen Kitas zum 31.12.2024 auszulaufen. Damit stehen Verein und Einrichtung nach 25 Jahren engagierter Arbeit vor einer ungewissen Zukunft.“

Die Eltern wurden vom Träger Mitte Oktober 2023 über die Beendigung des Mietvertrages informiert, nachdem die Stadt Leipzig diesen Ende September darüber in Kenntnis gesetzt hatte.

Das bestätigte uns auch der Vorstand der Montessori-Vereinigung-Leipzig e.V. am 19. April auf Anfrage: „Die Montessori-Vereinigung-Leipzig e.V. wurde Ende September 2023 über den Fakt informiert, dass es keine Verlängerung des Mietverhältnisses über den 31.12.2024 hinaus gibt. Die Eltern wurden Mitte Oktober 2023 über die Beendigung des Mietvertrages im Rahmen einer Elternveranstaltung informiert. Wir sind unserer Informationspflicht nachgekommen, können aber den Wunsch der Eltern nach einer wohnortnahen Betreuung verstehen.“

Am 17. April schrieb uns das Amt folgendes: „Es ist nicht korrekt, dass die Nachricht ‚ohne Vorwarnung‘ und Erläuterung überbracht wurde. Das Auslaufen des Mietvertrages war sowohl dem Träger als auch der Verwaltung bekannt. Das Trägergespräch im Herbst 2023 hatte zum Ziel, mit dem Träger die aktuelle Situation zu erörtern und Möglichkeiten auszuloten, wie beide Seiten (Träger und Verwaltung) mit diesem Sachverhalt im Konsens umgehen.“

Warum soll die Kita geschlossen werden?

Es geht um den baulichen Zustand, nicht um das Thema „Zu viele Kitas in Leipzig“. Das zumindest schreibt das Amt auf unsere Nachfrage am 26. April: „Die Gebäudesubstanz weist umfangreiche Mängel auf. Besonders kritisch zu bewerten ist die freie Geschosstreppe im Inneren, die aus Holz besteht und keinen eigenen Treppenraum besitzt. Brandschutztechnisch ist das kritisch zu betrachten, zumal die als 2. Rettungsweg angebaute Außentreppe eine Spindeltreppe und damit nicht mehr zulässig ist.

Bezüglich kommender Begehungen durch das ASiD (Arbeitsmedizinischer und Arbeitssicherheitstechnischer Dienst), die Unfallkasse und die Branddirektion ist daher mit umfangreichen Auflagen zu rechnen, die ggf. auch eine sofortige Sperrung des Objekts nach sich ziehen können.“

Die Villa Kunterbunt in der Leipziger Koehlerstraße 7. Foto: Stephan Jakubowski
Die Villa Kunterbunt in der Koehlerstraße 7. Foto: Stephan Jakubowski

Die Eltern sehen das anders: „Der Garten ist ein Traum! Sehr groß, mit vielen individuellen Möglichkeiten zum Spielen. Das Gebäude besticht durch helle, große Räume, die durch Flügeltüren verbunden sind, sich aber für die Gruppenarbeit auch gut trennen lassen. Grundsätzlich schätze ich den Zustand als völlig in Ordnung, aber teilweise nicht mehr zeitgemäß ein. Und natürlich gibt es immer wieder Dinge, die gemacht werden müssen, allerdings musste der Träger dafür jedes Mal auf Knien zur Vermieterin, der Stadt, rutschen, um auch kleinste Dinge repariert zu bekommen.“

Der Träger äußert sich nicht dazu.

Wichtig ist hierbei, dass die obige Antwort des Amtes auf unsere Nachfrage, ob die Kita noch eine Betriebserlaubnis hat, erfolgte. Aus der Antwort geht hervor, dass eine Betriebserlaubnis vorliegt, das Amt aber befürchtet, diese würde bei einer erneuten Begehung nicht verlängert werden.

Gibt es die Möglichkeit einer Verlängerung des Mietvertrages?

Das Amt schreibt am 17. April auf diese Frage „ja“: „Die Option der Verlängerung des Mietvertrages wurde dem Träger eingeräumt. Im Ergebnis der Diskussion wurde vom Träger ein zeitnaher Standortwechsel in die Paul-Küstner-Str. präferiert.“

Der Träger äußert nur: „In gemeinsamen Gesprächen mit Vertreter*innen der Stadt Leipzig wurde nach Möglichkeiten gesucht. Prozesse wie diese brauchen Zeit.“

Was ist mit dem Umzug in die Paul-Küstner-Straße?

Die Leipzig-Kita in der Paul-Küstner-Straße, eine integrative Kindertagesstätte unter Trägerschaft der Stadt Leipzig, wurde Anfang 2023 wegen Baumängeln geschlossen und soll im Sommer 2024 den Betrieb wieder aufnehmen. Das pädagogische Personal und die betreuten Kinder wurden in die Kita Holbeinstraße 84 „ausgelagert“ (Der Begriff ist nicht vom Autor gewählt, sondern stammt aus der damaligen Antwort des Amtes, Anm. d. Red.).

Jetzt soll die Kita „Villa Kunterbunt“ dort einziehen, was uns zu zwei Fragen an das Amt veranlasste:

Frage: „Wie war die Reaktion des Trägers auf das Angebot zu dieser Option?“

Antwort: „Der Träger hat das Angebot des Standortwechsels als eine Option zum weiteren Vorgehen zur Kenntnis genommen. Im Verlauf der weiteren Diskussion wurde zwischen Verwaltung und Träger eine Vor-Ort-Begehung vereinbart. Der Standort Paul-Küstner-Straße wurde positiv bewertet. Eine finale Entscheidung des Trägers wird Ende April 2024 erwartet.“

Frage: „Aus welchen Gründen sehen Sie einen Wechsel des Trägers für diese vor?“

Antwort: Die Verwaltung sieht bei der Einrichtung Paul-Küstner-Straße keinen Wechsel des Trägers vor. Die Paul-Küstner-Str. bleibt in kommunaler Trägerschaft. Die Einrichtung ehemals Köhlerstraße wird in kommunale Trägerschaft überführt (Personal und Leitung), das Montessori-Konzept bleibt.

Ein Dilemma für die Eltern

Eine sachliche Bewertung fällt hier schwer. Wird der Wechsel wie vom Amt vorgeschlagen vollzogen, dann ist ein Kita-Gebäude mit sanierungsbedürftiger Bausubstanz aus dem Bestand und eine leerstehende Kita wieder belegt, ohne dafür neues Personal zu benötigen.

Das pädagogische Personal des Trägers wird Personal der Stadt und kann weiter nach dem Montessori-Konzept, in einer modernen Kita, arbeiten. Die Kinder kommen zwischen die Mühlsteine, besonders die mit Integrations-Status.

Auch wenn das Amt schreibt: „Aktuell befinden sich im Stadtbezirk Ost 298 Integrationsplätze, davon sind 241 Plätze belegt. Die Koehlerstraße 7 hat 12 Integrationsplätze und zum Stand März 2024 sind 9 davon belegt. Somit stehen ohne die Einrichtung 286 Plätze für Integrationskinder zur Verfügung. Diese Plätze reichen nach aktuellem Stand aus, um die Integrationskinder zu versorgen“, ist ein Wechsel der Kita, besonders der vertrauten Personen, für viele dieser Kinder schon als traumatisch zu bezeichnen.

Die Eltern stehen vor einem riesigen Dilemma: Wollen sie ihre Kinder weiter nach dem Montessori-Konzept und mit dem vertrauten Personal betreuen lassen, dann bleibt ihnen nur ein Weg quer durch Leipzig.

Hätte es eine Möglichkeit gegeben, die Koehlerstraße 7 „leer zu ziehen“, also keine neuen Kinder aufzunehmen und bis zum Wechsel der letzten Integrationskinder in die Schule mit reduziertem Personalbestand weiterzubetreiben und gleichzeitig die Kita Paul-Küstner-Straße hochzufahren? Die Frage muss offen bleiben.

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