Posted: 2024-06-16 10:00:00

Sie sind letztlich ein Herz und eine Seele, auch wenn sie in zwei verschiedenen Parteien sind: der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der neue Steuersenkungen im Umfang von 26 Milliarden Euro vorbereitet und gleichzeitig den Staatshaushalt zusammenkürzt, und der sächsische Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU), der die jüngste Steuerschätzung zum Anlass nahm, den sächsischen Staatshaushalt zusammenzukürzen.

„Die prognostizierten Steuermindereinnahmen veranlassen mich, die bereits verfügte Einschränkung bei der Bewirtschaftung von Verpflichtungsermächtigungen auf die Ausgaben zu erweitern“, verkündete Vorjohann am 11. Juni. „Nur so kann nach aktueller Einschätzung im Jahr 2024 noch ein rechnungsmäßiger Haushaltsausgleich erreicht werden, ohne dass hierfür – anders als im Haushaltsjahr 2023 – erneut ein zusätzlicher Rückgriff auf die Haushaltsausgleichsrücklage notwendig wird.“

Das sind dieselben Töne, die auch Lindner in Berlin anspricht.

Dabei resultieren die sächsischen Mindereinnahmen 2024 genauso wie 2023 aus der letzten Steuerreform Lindners im Jahr 2022. Diese senkte die sächsischen Steuererwartungen um geschätzte 400 Millionen Euro pro Jahr. 2023 ging das noch einmal gut, weil die Steuerschätzung wieder viel zu niedrige Einnahmen prognostiziert hatte und am Ende doch die im Haushalt eingeplante Summe zusammenkam.

Wie sich das 2024 entwickelt, weiß noch kein Mensch. Aber die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung nahm Vorjohann einfach schon mal zum Anlass, staatliche Ausgaben zu kürzen.

Regieren mit Kürzungen

Der Freistaat Sachsen müsse „im Jahr 2024 mit Steuermindereinnahmen im Umfang von 385 Millionen Euro gegenüber der Haushaltsplanung rechnen“, meinte das Finanzministerium, obwohl keine Steuerprognose im Jahresverlauf so unzuverlässig ist wie die im Frühjahr. Schon die Herbststeuerschätzung dürfte andere Zahlen liefern.

Aber das Finanzministerium sah sich genötigt, gleich mal vorsorglich den Geldhahn zuzudrehen: „Die Möglichkeiten der Deckung im Haushaltsvollzug 2024 wurden in den vergangenen Wochen intensiv geprüft. Im Ergebnis dieser Prüfung soll ein Teil der prognostizierten Steuerausfälle durch Bewirtschaftungsmaßnahmen bei den Ausgaben in Höhe von rund 185 Millionen Euro eingespart werden. Zusätzlich werden die bereits vom Haushaltsgesetzgeber pauschal veranschlagten Einsparungen (globale Minderausgabe) in Höhe von 80,1 Millionen Euro konkret auf die Ressorts verteilt.“

Die Ressorts wurden daher am 11. Juni vom Sächsischen Staatsministerium der Finanzen aufgefordert, bis zum Ende des Haushaltsjahres 2024 Einsparungen von insgesamt 265,1 Millionen Euro innerhalb ihrer sogenannten „Sonstigen Ausgaben“ nachzuweisen. Die konkrete Verteilung und Aussteuerung innerhalb der Einzelpläne erfolge allein nach der Prioritätensetzung des jeweiligen Ressorts, betonte das Ministerium.

Sonstige: die bedürftigen Kommunen

Die „Sonstigen Ausgaben“ im Haushalt umfassen insbesondere alle Ausgaben, die für den Geschäftsbetrieb der Staatsverwaltung notwendig sind (z.B. Sachausgaben, Ausgaben für IT, für Mieten und Bewirtschaftung von Gebäuden und Grundstücken, Sachinvestitionen für den Erwerb von Fahrzeugen und Geräten usw.).

Mittel für Baumaßnahmen u.a. im Landes-, Hochschul- und Straßenbau sowie freiwillige Ausgaben für Zuschüsse im Rahmen von Landesförderprogrammen zählen ebenso dazu, ergänzte das Ministerium. Es wird also auch bei notwendigen Investitionen in den Kommunen gekürzt – bzw. die beantragten Fördersummen werden nicht bewilligt. Mit einer seriösen und verlässlichen Förderpolitik hat das nichts mehr zu tun.

Nicht Gegenstand der „Sonstigen Ausgaben“ sind vor allem die stellenplangebundenen Personalausgaben, Versorgungsausgaben, gesetzliche Leistungen sowie Bundes- und EU-Programme.

So sorgt man für Frust bei den Wählern

Parallel will Christian Lindner im Bund auch soziale Ausgaben kürzen, ein verheerendes Signal mitten in einer Zeit, in der frustrierte Bürger ihren Frust mit Stimmabgaben für die Rechtsaußen-Partei AfD deutlich machen. Die „Schuldenbremse“-Politik hat einen gewaltigen Anteil am sich ausbreitenden Frust in Deutschland und Sachsen.

„In einer ökonomischen Krise die Ausgaben des Staates zu kürzen, ist das Dümmste, was man machen kann. Wir müssten stattdessen diejenigen unterstützen, die es schwer haben, indem wir den Sozialstaat klug weiterentwickeln und ihn nicht zusammenstreichen“, kommentiert Susanne Schaper, die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, dieses sture Draufloskürzen.

„Wir müssten unsere Wirtschaft ankurbeln. Wir müssten in unsere Infrastruktur, in Schulen und Kliniken investieren. Die ,Schuldenbremse‘ ist eine Zukunftsbremse und muss in ihrer jetzigen Form verschwinden. Auch wir wollen kein Geld sinnlos verschleudern. Aber es spricht nichts dagegen, wichtige Investitionen durch Kredite zu ermöglichen, die sich in der Zukunft auszahlen. Den Parlamenten das zu verbieten, ist undemokratisch und unsinnig.“

Doch Kredite sind in den Augen sächsischer Finanzminister nichts als Schulden. Und Schulden sind in ihren Augen des Teufels. Während der laufende Haushalt also um dreistellige Millionenbeträge zusammengestrichen wird, lenkt der Finanzminister auch in diesem Jahr weit höhere Summen in den sogenannten „Generationenfonds“. Eine Sparschweinmentalität, die der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Dirk Panter, schon im Mai deutlich kritisierte.

Das sind längst schon Milliardensummen, die vor allem den Kommunen im Freistaat bei dringenden Investitionen in Infrastrukturen fehlen.

Besessen von der „Schwarzen Null“

„Die CDU in Sachsen ist aber besessen von der schwarzen Null. Sie nennt das ‚solide Finanzpolitik‘“, kritisierte Susanne Schaper. „Aber es ist nicht solide, sondern fahrlässig, wenn man wegen eines solchen Fetischs die Zukunft verspielt. Wer Investitionen nur als Kosten betrachtet, nicht aber als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der liegt schief. Fatal ist das vor allem für die Kommunen. Seit vielen Jahren stattet die CDU-Landesregierung sie nicht mit den Mitteln aus, die sie brauchen – für Pflichtaufgaben, aber auch für freiwilligen Aufgabe, die nicht weniger wichtig sind, zum Beispiel in der Kultur, beim Sport und bei der Gesundheit.“

Mit den Kommunen verhandelte Vorjohann am 14. Juni über einen Kompromiss zu den Geldern, die sie noch vom Freistaat bekommen. Doch am Ende konnten die Kommunen die Vorschläge dees Finanzministers nicht akzeptieren.

Und der gab sich hinterher regelrecht beleidigt: „Ich bin enttäuscht, dass der über Stunden gemeinsam herausgearbeitete Kompromiss in letzter Minute wieder vom Tisch gezogen worden ist. Die große Herausforderung besteht darin, dass derzeit auf allen Ebenen die öffentlichen Haushalte aufgrund des dürftigen wirtschaftlichen Wachstums in Deutschland unter massivem Druck stehen. Dies sehen wir nicht nur auf der kommunalen Seite, sondern eben auch ganz aktuell beim Freistaat selbst.“

Da hat er entweder keine Vorstellung vom Investitionsstau, unter dem alle sächsischen Kommunen leiden. Oder er glaubt tatsächlich, dass man ein Land „gesundsparen“ kann.

Auch dem Naturschutz droht der Rotstift

Auch aus anderer Richtung bekam Vorjohann heftige Kritik an seinen Sparplänen. Denn die drohen nun auch den Naturschutz in Sachsen zu torpedieren.

„Es sollte jedem klar sein: Wer am Naturschutz spart, verteuert nur die Rechnung für kommende Generationen und das in ganz anderen Dimensionen als die kurzfristigen Einsparungen“, warnt Dr. Maria Vlaic, Vorsitzende des NABU Sachsen.

Natur- und Klimakrise seien keine politischen Modethemen, sondern Realität für die Menschen in Sachsen.

„Überschwemmungen, Dürre, Hitzestress oder Waldbrände – überall, wo Flächen versiegelt, Flüsse begradigt und auf Vielfalt gepfiffen wird, entstehen die bekannten Sollbruchstellen, die katastrophale Auswirkungen haben und immense Kosten verursachen. Deshalb müssen Wirtschaft und Naturschutz zusammen gedacht werden, denn da, wo Kosten unkalkulierbar werden, wird sich auch keine Firma mehr ansiedeln wollen. Naturschutz ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, die Natur ist unsere Lebensgrundlage“, so Vlaic.

„Kürzungen im Naturschutzsektor würden dazu führen, dass zahlreiche Praxisprojekte im Naturschutz, Fließgewässerschutz, Waldumbau und Artenschutz nicht mehr fortgeführt werden könnten. Auch für das Ehrenamt im Naturschutz ist Kontinuität in der Förderung existenziell. Man denke nur an das in den letzten Jahren mit unendlichem Engagement, viel Kraft und hohem finanziellen Einsatz – auch des Freistaates, entstandene Netz der Naturschutzstationen. Eine Kürzung würde hier das Aus für viele Stationen bedeuten.“

Und derweil treibt der Bundesfinanzminister in Berlin weitere Steuerkürzungen voran, die weitere Verluste für die Länder und am Ende die Kommunen mit sich bringen. Eigentlich der beste Weg, den politischen Frust im Land weiter zu verschärfen. Und dem Land die Substanz zu entziehen, mit der es zukunftsfähig gemacht werden müsste.

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