Posted: 2024-06-17 07:59:00

Wie wirtschaftlich stabil eine Stadt ist, das lässt sich am genauesten an den Steuereinnahmen ablesen. Das ist auch in Leipzig so. Und natürlich verblüfft das Bild, das man mit Blick auf die Leipziger Steuereinnahmen bekommt, wenn man die ganze Zeit das Gerede vom wirtschaftlichen Niedergang in den Ohren hat, mit dem vor allem konservative Parteien derzeit Wahlkampf machen. Die sich so gerne Wirtschaftskompetenz auf die Fahnen schreiben, aber in Wirklichkeit keine haben.

Sie haben nur die alten Rezepte, wie es früher gelang, Wirtschaft zu gestalten. Haben aber dabei völlig „vergessen“, dass der Staat die wichtigste Konjunkturmaschine ist und die Steuereinnahmen den Staat handlungsfähig machen müssen. Derzeit praktizieren sie aber mit ihrer „Schuldenbremse“ und immer neuen Steuersenkungen das Gegenteil.

Mitten in einer Zeit der Prosperität reden sie da lieber den Niedergang Deutschlands herbei und kürzen Staatsausgaben auch da, wo dringend investiert werden muss.

So gesehen ist es schon überraschend, dass Leipzig im vergangenen Jahr erstmals gelang, mehr als 1 Milliarde Euro an Steuern einzunehmen. Davon konnte die Stadt vor zehn Jahren nur träumen.

Steuereinnahmen und Steuerprognose für Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Finanzdezernat
Steuereinnahmen und Steuerprognose für Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Finanzdezernat

Das widerspricht auch komplett den immer wieder von der Landesdirektion Sachsen verhängten Auflagen für die Leipziger Haushalte. Worin natürlich ein gehöriges Maß an Misstrauen einer konservativen Staatsregierung in eine Stadt wie Leipzig steckt, mit den vorhandenen Geldern auch noch haushalterisch gut umgehen zu können.

Einschneidend war nur das erste Corona-Jahr

Aber um sich der Sache zu versichern, fragte Dietmar Krause als Einwohner selbst noch einmal an, wie sich Leipzigs Steuereinnahmen in den letzten Jahren entwickelt haben – und womit Finanzbürgermeister Torsten Bonew in den nächsten Jahren rechnet.

Die Stadtkämmerei hat ihm auf gewisse Weise sogar stolz geantwortet: „Die Entwicklung der Steuereinnahmen der Stadt Leipzig ist äußerst positiv zu bewerten. Bis zum Jahr 2019 werden hohe Steigerungsraten verzeichnet, immer wieder wurden jedwede Prognosen übertroffen. Diese Mehrerträge waren wesentlich für den Haushaltsausgleich sowie die Genehmigungsfähigkeit der Haushaltspläne. Für das Jahr 2020 wiederum musste vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie ein enormer Einbruch bei den Steuererträgen, insbesondere bei der Gewerbesteuer verzeichnet werden.“

Doch: „Die Stadt Leipzig konnte bereits in 2021 das Vor-Pandemie-Niveau wieder erreichen und überschreiten, wobei das Ergebnis 2021 in Teilen auch überzeichnet war, durch Nachzahlungen für 2020. Auch ab 2022 setzte sich die positive Entwicklung fort. Seit 2023 hat sich Steuereinnahmeniveau nochmal deutlich erhöht. Dies ist äußerst positiv für den städtischen Haushalt.“

Aber man wär ja keine Finanzabteilung, wenn man nicht gleich auch wieder Wasser in den Wein gießen würde: „Die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Steuereinnahmen und damit die Entwicklung der Steuereinnahmen ist von enormen Risiken geprägt, dazu zählen insbesondere die weitere Entwicklung des Energiemarktes, die Folgen des Klimawandels sowie der weiteren Entwicklungen und Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sowie des aktuellen Nahostkonfliktes.“

Krisen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel

Ja. So ist das nun einmal in menschlichen Gesellschaften, in kapitalistischen erst recht. Krisen sind geradezu ihr Kennzeichen. Wobei konservative Politik dazu neigt, immer dann besonders viele Krisen an die Wand zu malen, wenn mal die Konkurrenz regiert. Dass auch die Regierungszeiten konservativer Regierungen von Krisen gekennzeichnet sind, vergisst man da allzu schnell. Und die Finanzkrise von 2008 hat die Deutschen viel mehr Geld gekostet als zum Beispiel die Energiekrise von 2022.

Die Deutschen sind gerne sehr vergesslich und machen Politik mit kurzem Horizont. Und die Wähler lassen sich davon auch noch beeindrucken.

Der Blick auf die Leipziger Steuereinnahmen von von 2017 bis 2023 (das jeweilige Rechnungsergebnis aus der Jahresrechnung) zeigt jetzt genau das Bild, das die Kämmerei beschrieben hat: ein stetiges Aufwärts bei den Steuereinnahmen mit der deutlich wahrnehmbaren Delle von 2020, dem ersten Jahr der Corona-Pandemie. Und wer sich erinnert: Damals befürchtete auch der gesamte Stadtrat noch Schlimmeres. An die Wand gemalt wurde eine Verdoppelung der Verschuldung der Stadt auf über 1 Milliarde Euro.

Steuereinnahmen vergleichbar großer deutscher Großstädte im Jahr 2022. Grafik: Stadt Leipzig, Finanzdezernat
Die Steuereinnahmen vergleichbar großer deutscher Großstädte im Jahr 2022. Grafik: Stadt Leipzig, Finanzdezernat

Doch genau das ist nicht eingetreten. Auch, weil sich Wirtschaft nicht einfach abschalten lässt, wenn mal eine Pandemie durchs Land rollt. Im Gegenteil: Sie produziert weiter, weil auch die Bedürfnisse der Konsumenten nicht einfach auf null gestellt werden können.

Sie verändert sich. Das stimmt. Das Gejammer kommt zumeist aus der Ecke jener Unternehmen, die sich nicht verändern wollen.

Leipzig läuft stabil

Aber überraschend dürfte sein, dass Leipzigs Finanzdezernat auch im Jahr 2024 darauf vertraut, dass am Jahresende ein neues Spitzenergebnis bei den Steuereinnahmen steht: „Für 2024 handelt es sich um das aktuell erwartete prognostizierte Ergebnis. Für die Jahre 2025 und 2026 liegen derzeit keine aktuellen Zahlen vor, hier befindet sich die Verwaltung momentan im Prozess der Haushaltsplanung. Es ist vorgesehen, den Haushaltsplan 2025/2026 im März 2025 im Stadtrat zu beschließen.“

Das prognostizierte Ergebnis gibt die Stadtkämmerei mit rund 1,03 Milliarden Euro an. Womit Leipzig so langsam in den Einnahmeregionen anderer deutscher Großstädte auftaucht. Die Kämmerei hat als Vergleich die Einnahmen des Jahres 2022 in Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Dresden, Hannover und Nürnberg vorgelegt.

Dresden, das jahrelang die bessere wirtschaftliche Performance hatte, wurde von Leipzig dabei inzwischen überholt. Mit über 1 Milliarde Euro eigenen Steuereinnahmen stößt Leipzig inzwischen in die Region ähnlicher großer westdeutscher Städte wie Hannover und Nürnberg vor.

Dass eine von der Finanzwirtschaft bestimmte Stadt wie Frankfurt am Main mit über 3 Milliarden Euro Eigeneinnahmen außer Reichweite ist, gehört natürlich auch zur Wahrheit. Das erinnert so manchen Beobachter, der Anfang der 1990er Jahre dabei war, daran, dass es damals kurzzeitig tatsächlich das Bestreben gab, Leipzig zu einem neuen Bankenstandort im Osten zu machen.

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