Posted: 2024-06-19 16:04:00

Wie man einen eigentlich tragischen Vorgang mit Werbesprechblasen zu einem tollen Werbeprodukt aufblasen kann, das hat man im Hause Madsack gelernt. Die Übernahme der „Sächsischen Zeitung“ aus simplen ökonomischen Zwängen heraus und die Verschmelzung mit der „Leipziger Volkszeitung“ vermeldete die MADSACK Mediengruppe am Dienstag, dem 18. Juni, mit den Worten: „Leipziger Volkszeitung und Sächsische Zeitung bündeln ihre Kräfte und bilden eine der größten Regionalredaktionen Deutschlands“.

Als wäre das ein freiwilliger Zusammenschluss zweier Zeitungen, die jetzt einfach mal beschlossen haben, ihre Kräfte zu bündeln. Aber hinter dem Kräftebündeln steckt der Versuch, zwei Zeitungstitel zu retten, deren verkaufte Auflage sich in den vergangenen Jahren halbiert hat. Und damit sanken auch die Werbeerlöse. Und die schon jetzt in beiden Häusern durchgeführten Sparrunden haben den Trend nicht beendet.

Ein Trend, der vor allem dadurch ausgelöst wurde, dass Leser und Werbeeinnahmen in den vergangenen 20 Jahren systematisch in die „sozialen“ Netzwerke abgewandert sind. Weniger Geld für die Lokalzeitung aber bedeutet nun einmal, dass auch die journalistische Arbeit immer weiter ausgedünnt wird.

Im Werbesprech der MADSACK-Meldung klingt das dann positiv: „Die Leipziger Volkszeitung (LVZ) und die Sächsische Zeitung (SZ) stellen sich in Sachsen unter der gemeinsamen Führung der Chefredakteurinnen Hannah Suppa und Annette Binninger neu auf/Kompetenz von über 170 Journalistinnen und Journalisten zukünftig unter einem gemeinsamen Dach/Die Sächsische Zeitung wird zudem neuer Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).“

Etwas deutlicher wurde dann Thomas Düffert, CEO der MADSACK Mediengruppe, auch wenn er auf optimistische Blumen dabei nicht verzichten kann: „Wir leben in Zeiten enormer gesellschaftlicher Veränderungen. Qualitativ hochwertiger Regionaljournalismus ist wichtiger denn je. Wir bündeln publizistisch in dem für Madsack wichtigen Bundesland Sachsen unsere Kräfte und werden die großen Chancen von Journalismus in einer zunehmend digitalen Welt engagiert nutzen. Wir sind dafür personell und strukturell bestens aufgestellt.“

Verschmelzen und straffen

Der erste Schritt ist natürlich, Inhalte, die zuvor jeweils autonom erarbeitet wurden, künftig zentral zu produzieren: „In der neuen Aufstellung werden die Themen Landespolitik, regionale Wirtschaft sowie Investigatives und Reportage zukünftig aus einer Gemeinschaftsredaktion kommen, die an den Standorten Leipzig und Dresden für beide Publikationen zuständig ist. In einem gemeinsamen Team wird zudem der Digitaldesk gebündelt“, beschreibt MADSACK diesen Verschmelzungsprozess.

Und es klingt wie schon bei vielen früheren Einsparrunden, wenn Hannah Suppa, Chefredakteurin der LVZ, jetzt sagt: „LVZ und SZ profitieren enorm von dieser Zusammenarbeit. Die beiden Titel werden gemeinsam für Sachsen eine starke Stimme: mit tiefgründigen, investigativen Recherchen und Reportagen, fundierter landespolitischer und wirtschaftlicher Berichterstattung – mit innovativen digitalen Formatideen.“

Eine Aussage, bei der man natürlich stutzt, denn Medienvielfalt bedeutet eigentlich, dass zwei Lokalzeitungen auch ihre jeweils eigenen Perspektiven in der Berichterstattung abliefern.

Auch Annette Binninger, Chefredakteurin der SZ, redet sich die Symbiose schön: „Damit werden LVZ und SZ gemeinsam die wichtigste publizistische Stimme aus Ostdeutschland.“

Was sich in den Redaktionen ändert

Suppa und Binninger leiten künftig gemeinsam die neue Gemeinschaftsredaktion. Neben der Gemeinschaftsredaktion werden beide weiterhin die Redaktionen ihrer jeweiligen Titel führen. Die LVZ- und SZ-Redaktionen wollen sich jeweils auf die Berichterstattung aus dem Verbreitungsgebiet ihrer Titel fokussieren, heißt es weiter. Insgesamt werde die sächsische Redaktion mit mehr als 170 Vollzeitstellen für Journalistinnen und Journalisten ausgestattet, verkündet die MADSACK Mediengruppe. So entstehe somit eine der größten Regionalredaktionen in Deutschland.

Eine Feststellung, die die tatsächliche Entwicklung völlig auf den Kopf stellt. Denn tatsächlich fallen bei der „Sächsischen Zeitung“ jetzt 30 Stellen weg. Der Konzern will für die freigestellten Journalistinnen und Journalisten sozialverträgliche Lösungen finden.

Die DDV-Betriebsräte jedenfalls sind entsetzt, dass gleich mal 30 Stellen gestrichen werden. Denn das sind nicht nur ausgedünnte Redaktionen – im gleichen Zug werden mehrere Regionalausgaben der „Sächsischen Zeitung“ eingestellt, aus 17 werden 11. Das heißt: Journalist/-innen der SZ sind in einigen Regionen nicht mehr vor Ort.

Das passe nicht zur „Stärkung des Lokaljournalismus“, wie behauptet wird, stellt der Betriebsrat fest. Für „tiefgründige, investigative Recherchen und Reportagen, fundierte landespolitische und wirtschaftliche Berichterstattung“ sind einfach weniger Leute da, die Zeit und Kraft für diese Recherchen haben. Das heißt: Die Arbeitslast für die Verbliebene wird sich erhöhen. Und es wird weniger Tiefenrecherchen geben, nicht mehr.

Bitte neu bewerben

Und auch die Arbeitsverträge werden nicht einfach beibehalten, wie der Betriebsrat feststellt: Alle Mitarbeiter/-innen in der Redaktionen sollen sich bei einer bei der „Leipziger Volkszeitung angesiedelten Gesellschaft neu bewerben“.

Das ist schlichtweg die Entwertung einer ganzen Berufslaufbahn. Man steht wieder als Neuling da und bewerbt sich um den Job, den man jahrelang gemacht hat. Der Betriebsrat jedenfalls befürchtet noch weitere Einschnitte und auch Folgen für die Mitbestimmung im Haus.

Die Perspektive der Beschäftigten ist ganz offensichtlich eine völlig andere als die der Geschäftsführung, für die Carsten Dietmann, Geschäftsführer der DDV Mediengruppe, sagte: „Die Einbindung in einen starken Verbund führt zu einer effizienten Aufstellung von redaktionellen Strukturen. Wir können so sicherstellen, dass unabhängiger und innovativer Journalismus bei der Sächsischen Zeitung eine erfolgreiche Zukunft hat.“

Inzwischen hat auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) die Stellenstreichungen scharf kritisiert. Gegenüber „Meedia“ kommentiert ein Gewerkschaftssprecher: „Vor dem Hintergrund der Bedrohung durch die AfD ist der angekündigte Abbau von 30 Redaktionsjobs unverantwortlich. Madsack muss seiner verlegerischen Verantwortung gerecht werden.“

Das ist zwar etwas eng gesehen: Es geht nicht nur um kompetente Berichterstattung über die AfD. Aber der Aspekt ist natürlich eines der Probleme, die immer deutlicher werden: Je mehr Lokalzeitungen in Mitteldeutschland entweder fusionieren (wie SZ und LVZ) oder einfach nur ihre Redaktionen ausdünnen oder „nur“ ihre Printtitel einstellen – jedesmal geht ein Teil journalistischer Berichterstattung über die Region verloren.

Die Bewohner der Region werden immer lückenhafter und oberflächlicher informiert. Das kommt natürlich allen populistischen Bewegungen und Parteien entgegen, für die eine starke Medienlandschaft genauso zum Feindbild gehört wie eine gut informierte Demokratie.

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